Bilinguale Projektwoche der Klasse 9/2 in der Gedenkstätte „Roter Ochse“
Im Rahmen des bilingualen Geschichtsunterrichts setzten wir, die Klasse 9/2, uns vom 05.05. bis 10.05.2025 mit den Geschichten der zu Unrecht hingerichteten Menschen während des wohl dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte in der Justizvollzugsanstalt „Roter Ochse“ in Halle (Saale) auseinander.
Der „Rote Ochse“ spielte in der NS-Zeit eine sehr bedeutende Rolle. Die Strafanstalt wurde 1842 eröffnet und diente von 1933 bis 1941 als Gefängnis für politische Gegner. Ab dem Jahr 1942 wurde der „Rote Ochse“ als zentrale Hinrichtungsstätte für Widerstandskämpfer und politische Gegner – darunter Kommunisten, Sozialdemokraten, Juden und sogenannte „Wehrkraftzersetzer“ – genutzt. Bis zum Kriegsende wurden dort 549 Menschen aus 16 Nationen exekutiert. Wir erfuhren, dass davon nur 19 Menschen schwere Verbrechen wie etwa Mord begangen hatten. Im April 1945 befreiten amerikanische Truppen die dort gefangenen Insassen. 51 Jahre nach der Befreiung, im Jahr 1996, öffnete die „Gedenkstätte Roter Ochse“ im früheren Todestrakt der Justizvollzugsanstalt. Dort trafen wir uns an drei von fünf Tagen, um in Gruppen zu verschiedenen Themen zu arbeiten.
Es gab vier verschiedene Gruppen. Eine Gruppe beschäftigte sich mit der Geschichte eines elsässischen Widerstandskämpfers namens Theo Gerhards. Die zweite erarbeitete die Biografie von Krystyna Wituska, einer Widerstandskämpferin aus Polen, die 1944 im „Roten Ochsen“ ermordet wurde. Die dritte Gruppe behandelte die Lebensgeschichte von Joseph Gillingham, einem Widerstandskämpfer von den Kanalinseln. Die vierte Gruppe hatte die große Ehre, einem Angehörigen einer dort hingerichteten Person via Videokonferenz auf Französisch Fragen zu stellen. Unsere französischen Austauschschüler unterstützten die Gruppe dabei. Der Name des Angehörigen ist Frédéric Gasquet. Um mehr über ihn und seine Familie zu erfahren, informierte sich die Gruppe ausführlich über die Geschichte der Familie Scemla/Gasquet.
Während unseres Aufenthalts in der Gedenkstätte besuchten wir auch eine Ausstellung über den Graphic Novel „Drei Steine“. Am Mittwoch befassten wir uns intensiver damit und erfuhren viel über den heutigen Rechtsextremismus.
Am selben Tag sprachen wir mit einem der Gründer des Vereins „Miteinander e. V.“, der sich für die Gleichberechtigung aller Menschen und ein gemeinsames „Wir“ gegen Rechtsextremismus einsetzt.
Am darauffolgenden Tag durften wir an einer Vorlesung des Leiters der Gedenkstätte teilnehmen, die im historischen Anatomie-Hörsaal der Martin-Luther-Universität Halle stattfand. Dabei ging es um die Verwendung von Leichen in der NS-Zeit – eine Veranstaltung, an der auch Medizinstudierende teilnahmen.
Am fünften und letzten Tag dieser bewegenden Projektwoche trafen wir uns früh am Gertraudenfriedhof, dem größten Friedhof in Halle. Dort besichtigten wir die Gräber der im „Roten Ochsen“ während des Zweiten Weltkriegs Hingerichteten. Besonders bewegend war der Besuch der Gräber jener Personen, mit denen wir uns näher beschäftigt hatten. Die Grabsteine wurden mit Rosen geschmückt, und wir gedachten der Opfer in einer stillen Zeremonie. So besuchten wir die Gräber von Krystyna Wituska und Joseph Gillingham sowie die Massengräber der ausländischen Opfer.
Zurück in der Gedenkstätte präsentierten die verschiedenen Gruppen ihre Ergebnisse – darunter selbst geschriebene Abschiedsbriefe, Podcasts und Slideshows. Um 11 Uhr stand dann das Interview mit Frédéric Gasquet an. Da Herr Gasquet kein Deutsch sprach, führten wir das Gespräch auf Französisch. Wir erfuhren viel über sein Buch „La lettre de mon père“ („Der Brief meines Vaters“), in dem er die tragische Geschichte seiner jüdischen Familie aus Tunis während des Zweiten Weltkriegs erzählt.
Das Projekt im „Roten Ochsen“ hat uns gezeigt, wie grausam das NS-Regime mit seinen Gegnern umging. Die persönlichen Geschichten der Opfer haben uns tief bewegt und uns die Bedeutung von Erinnerung und Aufklärung vor Augen geführt. Trotz des ernsten Themas war das Projekt überaus gelungen und hat der gesamten Klasse sehr gefallen.
An dieser Stelle möchten wir Herrn Hackel und den Verantwortlichen der Gedenkstätte unseren großen Dank aussprechen und wünschen nur das Beste für den Erhalt dieser wichtigen Bildungseinrichtung.
Niels Ciecka, 9/2